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shhhhh9ceYoga zu unterrichten, mag nach außen glamourös und aufregend sein. Es scheint, als hätten wir eine unendliche Energie und als würden wir den ganzen Tag nur Yoga praktizieren, uns dehnen und entspannen. Wir würden uns wünschen, dass dies wahr wäre. Yoga zu unterrichten ist ein Job. Es ist natürlich ein Vergnügen, trotzdem ist es ein Job. Hier sind einige meist unbekannte Fakten, sodass du einen Eindruck gekommen wirst, wie es ist, zu unterrichten.

Es ist uns eine Ehre, dich zu unterrichten:

Eine Gruppe durch eine Übung zu leiten, ist eine großartige Erfahrung, sodass uns manchmal fast die Tränen kommen, wenn wir uns am Ende einer Yogastunde befinden – diesen Einfluss hat der Unterricht auf uns. Wir sehen die Ernsthaftigkeit und Verletzlichkeit, mit der du in die Stunde kommst, den Mut in deinem Gesicht und die Verspieltheit und Abenteuerlust, wenn wir dir etwas Neues zeigen.

Bitte realisiere, dass wir auch nur Menschen sind:

An einigen Tagen sind wir müde und unsere Körper schmerzen. Lieber würden wir in einem bequemen Sessel mit einem Drink in den Händen sitzen, während jemand uns mit einem Palmenblatt zuwedelt. Ja, es gibt solche Tage, an denen wir uns alles andere als gut fühlen, trotzdem holen wir das Beste aus uns heraus und unterrichten. Genau wie du haben wir Rechnungen zu bezahlen, Kinder, auf die wir aufpassen müssen und andere alltägliche Dinge, um die wir uns kümmern müssen.

Manchmal scheinen wir zu Anfang einer Yogastunde nicht so fröhlich wie sonst, aber das Wundervolle ist, dass wir nur ein paar Minuten brauchen, in denen wir dich unterrichten, schon verschwinden alle Belastungen und wir fühlen uns so gut wie du. Wir sind weit davon entfernt, perfekt zu sein und manchmal sind selbst unsere stärksten Bemühungen zu schwach, trotzdem sollten wir eine Vereinbarung treffen: Du gibst in jeder Stunde das Beste und ich werde es ebenfalls machen.

Kannst du dir vorstellen, wie aufregend es ist, deinen Fortschritt zu beobachten?

Unsere Lieblingsklassen sind die, in denen wir bei einem oder mehreren Schülern sehen, dass sie eine Grenze überschreiten oder einen Fortschritt bei einem Asana machen – manchmal grinsen wir deswegen noch am nächsten Tag. Wir erinnern uns alle noch an die Meilensteine in unserer Yogalaufbahn (sogar daran, als wir noch nicht unsere Zehen berühren konnten), es ist daher eine große Freude zu sehen, wie du dich entwickelst. Wir erinnern uns immer noch an deinen ersten Kopfstand wie stolze Eltern und lieben es besonders, wenn du etwas machst, das wir nicht mehr können (oder noch nie konnten). Also komm immer weiter zum Unterricht und mache Yoga.

Anfänger, Verletzte, Gehandicapte oder andere besondere Menschen ist für uns eine sehr viel größere Herausforderung, weil es mehr Training, Geduld und Aufmerksamkeit erfordert.

Einige Lehrer vermeiden, solche Gruppen zu unterrichten. Wir glauben, dass sie eine Menge vermissen. Die einfachste Sache der Welt ist es, eine Gruppe mit jungen, fitten Menschen zu unterrichten, die schon zu den fortgeschrittenen Yogi gehören. Es ist genauso, als würde man versuchen, Vögeln das Fliegen beizubringen – sie wissen schon, wie es geht. Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit einem emporsteigenden Promi-Yogi, der sagte, dass er nur junge und gesunde Menschen unterrichten möchte. Aber natürlich! Du musst keine Posen mehr verbessern und musst nicht mehr aufmerksam sein, wenn du junge, gesunde und fitte Yogis ausbildest. Sie kennen die Posen bereits mehr oder weniger, es ist unwahrscheinlich, dass sie sich verletzten (und wenn doch, erholen sie sich schneller) und sie lernen schneller.

ABER! Für all die langjährigen Lehrer, die sehr lange Erfahrungen vorweisen können, die Verletzungen und Krankheit kennengelernt haben sowie die Einschränkungen, die im Laufe des Alters hinzukommen, ist es eine Freude! Denjenigen Yoga zu zeigen, die es brauchen (und solche, die physische Einschränkungen und Krankheiten erfahren haben, brauchen Yoga wirklich!), ist bedeutend befriedigender. Den Fortschritt zu beobachten, den jemand macht, der gerade erst wieder beginnt zu gehen oder zu spüren, dass ein chronischer Schmerz gelindert wird, ist sehr viel befriedigender, als wenn jemand einen Handstand macht oder auf deinem Kopf sitzt.

Manchmal kommen Schüler zu den Stunden, bei denen wir sofort spüren, dass sie eine besondere Energie mit sich bringen.

Wir werden dann sehr aufgeregt und freuen uns auf den Unterricht. Manchmal ermutigen wir sie sogar, ihre Matte an einen bestimmten Punkt im Raum zu legen, sodass mehr Schüler von ihrer Energie angesteckt werden. Ja, lieber Yoga-Student, manchmal braucht dein Yoga-Lehrer/in einen extra Energieschub und wir freuen uns, wenn jemand da ist, der uns darin unterstützt. Der Unterricht ist ein Gruppenerlebnis und die Energie, die du mitbringst, hat Einfluss auf den ganzen Raum. Also schieb deine negativen Gedanken zur Seite, wenn du dich auf die Matte legst und öffne deinen Geist und deine Stimmung.

Yoga hat Einfluss auf mehrere Aspekte deines Selbst. Bring die besten Eigenschaften von dir zu jedem Unterricht, sogar wenn es sich um den schlechtesten Tag deines Lebens handelt. In den Übungen und der Gemeinschaft wirst du Trost und Liebe finden. Wir sagen oft, dass Yogaunterricht wie eine energetische Stein-Suppe ist. Wir bringen alles mit, was wir haben und mischen es zusammen. Was wir dann zurückbekommen, ist größer als das, was wir gegeben haben und zusätzlich genau das, was wir brauchen.

Es ist kein Geheimnis, aber wir machen es, weil wir es lieben, wirklich.

Wir machen es sicherlich nicht für das Geld. Manchmal bekommen wir nur fünf Euro von den 15 Euro Gebühren, die du bezahlt hast. Wenn du bei einem Yoga-Festival teilnimmst, werden wir häufig überhaupt nicht bezahlt. Oh ja, außerdem müssen wir dort Parkgebühren für unser Auto zahlen, bei dem es sich nicht um einen neuen BMW, sondern um einen alten Golf mit 200.000 km auf dem Buckel handelt.

In vielen Yoga-Studios sind die Lehrer die ärmsten Leute im Raum – daran solltest du denken. Wir verbringen viele Jahre damit, diese Fähigkeiten und Techniken zu entwickeln und geben tausende von Euro aus, um dich zu unterrichten. Die meisten Lehrer werden nicht wieder herausbekommen, was sie in ihre Ausbildung gesteckt haben. Wir machen es, weil wir dieses wunderschöne Geschenk teilen wollen, sogar wenn das für uns bedeutet, dass wir uns einschränken müssen. Also bitte, respektiere dies. Bedenke außerdem, dass jedes Gespräch, dass du nach dem Unterricht mit uns für 10, 15 oder 30 Minuten führst, unsere Zeit ist, die den folgenden Klassen fehlen wird. Da die Yogastunden meistens direkt aufeinanderfolgen, nimmt es der nächsten Gruppe Zeit weg. Sie müssen dann warten, bis der Unterricht beginnen kann.

Wenn unser Tag vorbei ist, wollen wir nicht mehr, als nach Hause zu gehen, zu essen und die anfallenden Aufgaben zu erledigen…. Vielleicht sogar etwas Yoga alleine machen. Wenn du mehr Zeit brauchst oder viele Fragen hast, frag deinen Lehrer nach einer Einzelstunde. Ja, das kostet mehr. Aber die Informationen und Aufmerksamkeit, die du in einer Einzelstunde bekommst, kann deine komplette Yoga-Routine verändern.

Wir wünschen uns wirklich, dass wir dir mehr helfen könnten, wenn du uns nach medizinischen Sachverhalten oder psychischen Erkrankungen fragst, aber dafür sind wir nicht ausgebildet.

Es wäre nicht richtig und ist uns nicht erlaubt, dich in solchen Bereichen zu behandeln. Wir haben nur 200 bis 500 Stunden Unterricht, bis wir unser Zertifikat bekommen (und viele von uns studieren zusätzlich in ihrer Freizeit Anatomie und Physiologie) und kommen somit nicht annähernd an die Jahre heran, die Medizinstudenten brauchen, um sich Arzt nennen zu können. Wenn es eine Beschwerde in deinem Körper gibt, können unser Training und unsere Erfahrung helfen, ihn zu beseitigen. Allerdings nur, wenn es an deiner Ausführung liegt. Wenn es dir schlecht geht und du verwirrt bist, haben wir genug Möglichkeiten, damit es dir wieder besser geht. Brauchst du einen Rat für dein Liebesleben? Oh, wir können dir immer unsere Meinung mitteilen (aber dafür solltest du nicht bei uns dein Geld ausgeben). Allerdings solltest du mit deinen Problemen lieber einen Arzt, einen Psychotherapeuten, einen Physio- oder Sexualtherapeuten aufsuchen, da dieser sich besser mit deinen Problemen auskennt.

Wir üben Asanas nicht so oft Das ist wahr. Und traurig.

Aber sehr viel von unserer Energie fließt in deinen Unterricht. Viele von uns haben einen Vollzeit-Job und unterrichten Teilzeit. Das bedeutet häufig einen ganzen Tag an einem Schreibtisch, wo unsere Körper steifer als deine werden können, gefolgt von Eile, damit wir zum Yoga-Unterricht rechtzeitig ankommen. Einige von uns unterrichten Vollzeit. Das bedeutet drei bis fünf Klassen am Tag. Wenn wir Glück haben, finden sie im gleichen Gebäude statt. Wenn nicht, verbringen wir viel Zeit damit, von einem Ort zum anderen zu gelangen. Würden wir stattdessen lieber selbst praktizieren? Aber natürlich! Je mehr wir praktizieren, desto mehr haben wir zu bieten. Es ist aber sehr aufwändig für uns, die Zeit und Energie dafür zu finden; mehr als du denkst. Das Geheimnis: Langjährige Lehrer sind diejenigen, die einen Weg gefunden haben, ihren Unterricht und das persönliche Üben miteinander vereinen zu können. Wenn du also einen möglichst guten Unterricht suchst, suche einen Lehrer, der schon lange unterrichtet. Hinweis: Sie sind wahrscheinlich schon etwas älter, haben oft graues Haar und tragen nicht die sexiesten Yoga-Klamotten.

Nur weil wir es können, heißt es nicht, dass wir unterrichten können!

Oder: Nur weil wir es nicht können, heißt es nicht, dass wir nicht unterrichten können. Ein Freund hat uns kürzlich erzählt, sie will kein Yoga mehr machen, weil es ihr zu sehr wie „Performance Art“ vorkommt. Das macht uns traurig. Allerdings ist es nicht verwunderlich, dass dieser Eindruck entsteht, wenn man Promi-Yoga auf Festivals sieht, die Asanas vorführen, und ihre Künste anschließend anhand von Fotos und Videos in sozialen Netzwerken präsentieren. Aber nur weil du eine Pose kannst, heißt es nicht, dass du sie unterrichten kann. Ein Turner kann Asanas unter Umständen besser beibringen als ein Yogi. Ein Affe kann besser performen als ein Turnen. Allerdings kann ein Unterricht, der von einem Affen geleitet wird, eher interessant (und unordentlich sein, weil sie gerne Kot werfen) sein, es wird aber nicht das Erlebnis sein, dass du von einem Yoga-Unterricht erwartest.

Wenn wir eine Pose vormachen, geht es darum die Pose und die Entwicklung zu zeigen, nicht darum, anzugeben. Wenn wir tatsächlich angeben sollten, höre bitte auf, zu uns in den Unterricht zu kommen! Es bedeutet, dass wir unser Ego überprüfen müssen und deine mangelnde Aufmerksamkeit ist ein deutliches Zeichen.

Wir lieben es, wie du mit anderen Schülern Freundschaften knüpfst und in der Gemeinschaft willkommen geheißen wirst.

So werden Gemeinschaften geboren, so wachsen sie und so entwickeln sie sich. Gemeinschaft ist ein wichtiger Bestandteil beim Ausüben von Yoga. In unserer Gemeinschaft können wir unsere Freude und Sorgen teilen sowie Kraft finden, wenn wir schwach sind; gleichzeitig teilen wir unsere Kraft, wenn andere sie brauchen. Wir lernen mehr und wachsen dabei – zusammen. Unsere spirituelle Gemeinschaft ist tatsächlich das, was uns auf dem Weg hält. Dadurch machen wir weiter, wenn wir finanziellen Luxus, Wochenenden und Abendessen mit unseren Familien vermissen. Es ist unsere Gemeinschaft, die uns die wichtigsten Lektionen beibringt. In unseren Gemeinschaften sehen wir uns selbst, reflektiert durch die Schüler und schließlich in allen Dingen. Die größte Wahrheit ist, dass Lehrer letztendlich nur Schüler sind. Wir unterrichten, um von dir zu lernen. Und genauso wie du, versuchen wir, unsere Routine zu verbessern, Körper und Geist zu stärken und zu unserem waren Ich zurückzukehren.

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Maya Devi Georg ist Yoga-Lehrerin und Autorin  für Yoganonymous sowie bei www.BrahmalokaOrBust.com. Und zusammen mit ihren mann Chris K. leitet die Kenosis Yogaschule in Brussel.  Ihre Lehrer waren u.a. Swami Bua, Swami Jnanand, Yogi Gupta, und Swami Chetanananda. Sie lebt zusammen mit ihrem Partner Chris und ihren Hund Spitha Canis in Stuttgart.

Chris Kiran Aarya, ist Yogalehrer und Autor und mit seine frau Maya Devi Georg leitet die Kenosis Yogaschule in Brussel.  Er schreibt u.a. für Yoganonymous und www.BrahmalokaOrBust.com. Er unterrichtet mit viel Humor und Leichtigkeit Vinyasa Yoga. Seine Lehrer sind u.a Doug Swenson, Yogini Shambhavi,  Meta- Hirschl und Tias Little. Neben seinen Yogastunden in Deutschland gibt er auch Workshops in Europa und Amerika.